Antworten rund um die beste Zeit des Jahres
Urlaub, der nicht beantragt wird, ist verfallen – so bisher nicht nur die Auffassung in vielen Chefetagen. Geht nicht, urteilte das Bundesarbeitsgericht (BAG): Urlaubsanspruch verfällt nicht automatisch. Alles rund um die schönste Zeit des Jahres regelt das Bundesurlaubsgesetz – mit aufschlussreichen Antworten.
Vorgesetzte in der Pflicht: Rechtzeitig an Urlaub erinnern
Nein, Urlaub verfällt nicht einfach, urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH) im November 2018. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) zieht nach. Anlass der neuen Grundsatzentscheidung: Über mehrere Jahre hatte ein wissenschaftlicher Mitarbeiter 51 Urlaubstage angespart. Als sein Arbeitsvertrag mit der Max-Planck-Gesellschaft München endete, wollte er sich diese auszahlen lassen – in der Summe knapp 12.000 Euro. Dass ihn der Arbeitgeber rechtzeitig per E-Mail auf den verbliebenen Resturlaub hinwies, bestritt der Angestellte. Das Grundsatzurteil vom 19. Februar 2019 (9 AZR 541/15) stärkt Arbeitnehmern mit Bezug aufs EuGH den Rücken: Angemessene Aufklärung muss Mitarbeiter in die Lage versetzen, Urlaubsansprüche wahrzunehmen – und dies im entsprechenden Urlaubsjahr. Diese Regelung nimmt Arbeitgeber in die Pflicht, förmlich, klar und rechtzeitig mitzuteilen: Sie haben noch Resturlaub – bitte nehmen!
Wieviel Urlaub steht Mitarbeitern zu?
Wieviel bezahlter Urlaub mindestens drin ist, regelt seit 1963 das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG), nämlich mindestens 24 Werktage pro Jahr, sofern an sechs Tagen in der Woche gearbeitet wird. Ansonsten stehen jedem Arbeitnehmer, unabhängig von der Zahl wöchentlicher Arbeitstage, vier Wochen pro Jahr zu – erstmals fällig nach sechs Monaten Vertragslaufzeit. Wer schon nach vier Monaten geht, kann sich – bei 40-Stunden-Fünftagewoche – über anteilige sieben Tage bzw. ein Zwölftel von 20 Tagen Jahresurlaub freuen. Chefs, die dieses gesetzliche Urlaubskontingent für knickrig halten, sind frei, es großzügig zu erhöhen – Urlaub nach oben offen. Auch langjährige Treue zum Unternehmen wird häufig arbeitsvertraglich mit Zusatzurlaub belohnt werden. Und während das BUrlG beim Lebensalter keinen Unterschied macht, kennen viele Tarifverträge die Staffelung nach Lebensalter. Wie im Fall eines Schuhfabrikarbeiters: Wer in höheren Lebensjahren schwer körperlich arbeitet, braucht mehr Urlaub, urteilte das BAG (AZR 956/12).
Sonderregelungen für Minderjährige und Behinderte
Minderjährige profitieren von der Tatsache zarten Alters: Gemäß Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) dürfen sie ohnehin nur fünf Tage die Woche arbeiten. Ihr Anspruch ist nach Alter gestaffelt (§19 JArbSchG), gerechnet von Beginn eines Kalenderjahres (und schließt auch minderjährige Praktikanten ein):
- U-16: mindestens 30 Werktage
- U-17: mindestens 27 Werktage
- U-18: mindestens 25 Werktage
Und volljährige Praktikanten? Kommt darauf an: Machen sie der Firma als Pflichtpraktikanten eher Arbeit? Kein Anspruch. Oder tragen sie, weil eigenständig tätig, zum Umsatz bei? Dann gilt der gesetzliche Anspruch wie für alle anderen – sofern sie mindestens einen Monat im Unternehmen sind. Gesetzliche Sonderregelungen greifen auch bei Schwerbehinderten. Nach Sozialgesetzbuch (SGB IX) haben sie bei einer 5-Tage-Woche einen erhöhten Mindestanspruch auf bezahlten Urlaub von zusätzlich fünf Arbeitstagen.
Teilzeit, Minijob, Probezeit: Arbeitstage zählen
Egal, ob Minijobber, Heimarbeit oder Teilzeit: Nicht Arbeitsstunden, sondern Arbeitstage im Unternehmen sind die Basis für Urlaubsansprüche. Eine Mitarbeiterin, die 25 Stunden von montags bis freitags Teilzeit arbeitet, hat den gleichen Anspruch wie ihre Vollzeitkollegin. Bei Mitarbeitern, die nur an zwei Tagen die Woche erscheinen, läuft’s anteilig: Sind Vollzeit 25 freie Tage üblich, erhalten diese 10 Tage Jahresurlaub. Allerdings, – ein voller Anspruch ist erst nach sechs Monaten Betriebszugehörigkeit erworben: Zum 1. April gestartet und erst am 1. Oktober in Urlaub? Wer seinen neuen Job erst angetreten hat, aber gleich verreisen will, darf das – trotz langer Gesichter – dennoch: Auch in der Probezeit dürfen Mitarbeiter bereits jeden vollen Monat mit einem Zwölftel kalkulieren. Es sei denn, dem Urlaubswunsch stehen berechtigte betriebliche Gründe, wie wichtige Projekt-Deadlines, entgegen.
Urlaub anmelden: Regeln und No-Gos
Wie Mitarbeiter ihr Urlaubskontingent aufteilen, entscheiden sie selbst: Laut BUrlG § 7 ist Urlaub am Stück in der gewünschten Zeit zu gewähren. Dabei müssen Arbeitgeber abwägen: Dringende betriebliche Gründe oder die Unvereinbarkeit mit Wünschen anderer Arbeitnehmer können dem entgegenstehen; zum Beispiel, weil diese aufgrund schulpflichtiger Kinder Vorrang haben. Kommt es zum Streit über bereits geplanten und gewährten Urlaub, kann eine Einstweilige Verfügung des Arbeitsgerichts Arbeitgeber im Eilverfahren zur Urlaubsgewährung verpflichten. Auf keinen Fall möglich: Auf Urlaub des kommenden Jahres vorzugreifen. Oder als Chef Informationen zum Aufenthaltsort zu verlangen: Niemand muss verraten, wohin er reist oder gar im Urlaub für die Firma erreichbar sein! Arbeitgeber, die Urlaub nur unter Vorbedingung von Erreichbarkeit gewähren, bewegen sich rechtlich auf dünnem Eis – eine solche Urlaubsgewährung ist im Zweifel unwirksam.
Ersatz- und Resturlaub: Ins nächste Jahr nehmen?
Manchmal geht es nicht anders: Resturlaub muss mit ins neue Jahr und spätestens bis 31. März (beziehungsweise, wenn die Übertragungsfrist per Arbeitsvertrag endet), genommen werden. Auch hier gilt: Stellt ein Mitarbeiter keinen Urlaubsantrag, muss ihn der Arbeitgeber zu Anfang des Übertragungszeitraums schriftlich erinnern, dass sein Anspruch ansonsten ersatzlos verfällt. Anders hier: Wollte der Mitarbeiter – zum Beispiel vor Weihnachten – zwei Wochen in Urlaub gehen, der Chef lehnte jedoch grundlos ab, gerät dieser mit seiner Urlaubsgewährung in Verzug. Denn der Urlaubsanspruch ist mit dem 31. Dezember verfallen. Jetzt hat der Mitarbeiter Anspruch auf Schadenersatz – in Form von bezahltem Ersatzurlaub, der erst nach drei Jahren verjährt § 195 BGB).
Wie gewonnen, so zerronnen? Krank im Urlaub
Dicke Erkältung, Skiunfall, der Magen rebelliert. Glück im Unglück: Wer im Urlaub krank wird und ein ärztliches Attest vorweist, kann sich diese Tage gutschreiben lassen; vorausgesetzt, er hat seinen Chef auf dem schnellstmöglich über die voraussichtliche Krankheitsdauer und Urlaubsadresse informiert – so will es § 5 Abs.2 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG). Die Kosten der Schnellübermittlung trägt der Arbeitgeber. Bis zur Genesung gehen viele Wochen ins Land? Auch jetzt verfällt Urlaub nicht, sondern darf noch bis zu 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres genutzt werden. Nicht ratsam: Urlaub, sobald man wieder fit ist, ohne Absprache um diese Krankheitstage zu verlängern. Selbstbeurlaubung ist Grund genug für eine fristlose Kündigung!
Sonderurlaub, Schwangerschaft und Elternzeit
Laut Mutterschutzgesetz (MuSchG) können werdende Mütter restliche Ansprüche auf Urlaubstage auch noch nach Mutterschutz oder Elternzeit einlösen – bis zum Ende des übernächsten Jahres. Allerdings kann der Chef Mitarbeitern in Elternzeit den Anspruch auf Urlaub kürzen – um ein Zwölftel. Beispiel: Ein Vater, der neun Monate in Elternzeit geht, muss auf 18 seiner 24 Tage Jahresurlaub verzichten – es sei denn, er verbringt diese Elternzeit in Teilzeit. Neben Familiennachwuchs existieren weitere Anlässe, im Job auszufallen. Wer aus Gründen wie Todesfall oder Gerichtstermin, die er nicht zu vertreten hat, kurzzeitig verhindert ist, hat ein Recht auf bezahlten Sonderurlaub. Übrigens: Verstirbt ein Mitarbeiter, geht dessen gesetzlicher Anspruch in Form finanzieller Vergütung auf seine Erben über. Ebenfalls eine Auffassung des Europäischen Gerichtshofs, der das Bundesarbeitsgericht im Januar 2019 folgte (9 AZR 45/16).
Kündigung: Aus den Augen, aus dem Sinn?
Gekündigt und trotzdem noch Urlaub nehmen? Natürlich, denn auch jetzt bestimmen die Wünsche des Arbeitnehmers über den Zeitrahmen des Urlaubs. In der Praxis berufen sich Unternehmen jedoch oft auf die Einarbeitung von Nachfolgern. Wer Urlaubstage jetzt nicht mehr nehmen kann bzw. durch den Chef nicht erinnert wurde, erhält diese ausgezahlt. Der Arbeitgeber muss den gewährten Urlaub im aktuellen Kalenderjahr bescheinigen. Was nicht geht: Urlaub geldwert ansparen, weil ich sowieso die Firma verlasse. Schließlich dient Urlaub dazu, dass sich Mitarbeiter erholen, um mit frischer Energie an den Arbeitsplatz zurückzukehren.
In diesem Sinne – höchste Zeit nachzuprüfen: Versteckt sich noch irgendwo ein Anspruchsfenster auf freie Zeit? Schönen Urlaub …!
Quellen:
- https://www.faz.net/aktuell/beruf-chance/beruf/urteil-nicht-beantragter-urlaub-verfaellt-nicht-automatisch-16049382.html
- https://www.impulse.de/recht-steuern/rechtsratgeber/urlaubsanspruch/7339959.html
- https://www.anwalt24.de/fachartikel/arbeitsrecht/53645
- https://www.stern.de/kultur/krank-im-urlaub–so-sichert-man-den-urlaubsanspruch-8572226.html
- https://www.hensche.de/Rechtsanwalt_Arbeitsrecht_Handbuch_Urlaub.html