Panta rhei – alles fließt. Der technische Fortschritt fordert die Menschen heraus. In
Deutschland diskutiert die Bevölkerung kontrovers und intensiv über das Leben und Arbeiten in einer digitalisierten Welt. Das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) wird regelmäßig zum Gegenstand solcher Debatten. Die einen sehen darin eine unbürokratische Existenzsicherung, die Raum für eigene Entwicklung bietet. Andere sprechen von einer Stillhalte-Prämie für Menschen, die aus dem Arbeitsprozess herausfallen.
Die folgenden Abschnitte beleuchten das hochaktuelle Thema Grundeinkommen von verschiedenen Seiten, über den rein finanziellen Aspekt hinaus. Viel Spaß beim Lesen!
Zukunft ist kein Schicksal: Wie wollen wir leben?
Der Philosoph Richard David Precht erklärt seine Sicht der Zukunft folgendermaßen: Die heutige Gesellschaft profitiert seit Beginn der industriellen Revolution vom technischen Fortschritt und den Errungenschaften der Arbeiterbewegung. So reduzierte sich laut Precht die Arbeitszeit von achtzig Wochenstunden auf eine Vierzig-Stunden-Woche. Der Autor geht davon aus, dass die Digitalisierung die Arbeitszeit weiter reduzieren und den
Alltag grundlegend verändern wird. (Quelle: ARD-Mediathek)
Eine moderne, demokratische Gesellschaft muss Ideen entwickeln, wie sie künftig leben möchte und entsprechende Schritte einleiten. Künstliche Intelligenz und digitale Vernetzung werfen Fragen auf, die weit über die Finanzierung eines BGE hinausreichen:
- Woraus leitet der Einzelne sein Selbstwertgefühl ab, wenn (Erwerbs-)Arbeit und Leistung als Hauptquellen wegfallen?
- Wäre es gerechter, den Begriff Arbeit um Bereiche wie Hausarbeit, private Pflege oder Ehrenamt auszuweiten?
- Wie geht eine Gesellschaft mit Arbeitslosigkeit um, wenn Brüche in der Berufsbiografie normal sind?
- Welche Werte teilt die Gesellschaft jenseits von Erwerbsarbeit und Leistungsorientierung?
Ein bedingungsloses Grundeinkommen könnte ein Teil der Antwort auf die
kommenden Herausforderungen sein, wenn die Bevölkerung sich aktiv in diese Richtung entwickelt.
Bedingungsloses Grundeinkommen: aktuelle Tendenzen
Das Konzept des BGE findet Unterstützer und Gegner in nahezu allen gesellschaftlichen Gruppierungen. Hier einige Beispiele:
- Ökonomie: Vertreter der Wirtschaft wie Telekom-Chef Timotheus Höttges, Bitcom-Vorstand Armin Berg und Götz W. Werner, der dm-Gründer, plädieren für ein Bedingungsloses Grundeinkommen.
- Gewerkschaften: Am Tag der Arbeit 2018 sprachen sich sowohl der DGB als auch die IG Metall gegen ein BGE aus. Gleichzeitig formiert sich eine Gruppe von Gewerkschaftsmitgliedern aller Verbände, die eine vorurteilsfreie Diskussion des Themas fordert.
- Initiativen: Der Verein “Mein Grundeinkommen” sammelt Geld via Crowdfunding und verlost es anschließend. Die Gewinner erhalten ein Jahr lang jeweils eintausend Euro monatlich und dürfen berichten, ob und wie das Grundeinkommen ihr Leben verändert.
- Wissenschaft: Forscher wie der Physiker Harald Lesch und der Ökonom Thomas Straubhaar sehen im Grundeinkommen eine notwendige Grundlage für ein friedliches Zusammenleben in der Gesellschaft 4.0. Der Armutsforscher Christoph Butterwegge steht dem Bedingungslosen Grundeinkommen kritisch gegenüber. Es sei ein neoliberales Instrument, das den Sozialstaat aushebele.
- Politik: Michael Müller (SPD) schlägt ein solidarisches Grundeinkommen für Langzeitarbeitslose vor. Bis auf den Namen hat die Idee wenig Ähnlichkeit mit anderen BGE-Konzepten. Bisher reagieren deutsche Politiker ungeachtet der Partei überwiegend ablehnend auf das Konzept.
Digitale Zukunft: Optimismus ist berechtigt
Die Bevölkerung wird noch zahlreiche Kontroversen über die Zukunft der Gesellschaft ausfechten. Die wirtschaftliche Stärke Deutschlands wirkt in diesem Fall hemmend. Warum? – In der IT-Branche existiert ein Sprichwort: Never change a running system. Warum sollte man ein System verändern, das sich seit Jahrzehnten bewährt? Ein Grundeinkommen würde das Sozial- und Wertesystem auf den Kopf stellen. Widerstand ist nachvollziehbar.
Der Wandel schreitet trotzdem voran. In Mitteleuropa trifft er auf Menschen, die so wohlhabend und gebildet sind, wie nie zuvor. Das Potenzial ist enorm und damit auch die Chance, die Veränderung positiv zu gestalten.