Finanzexperten hatten die Entwicklung bereits zum Jahresbeginn 2016 vorausgesehen. Sofern sich die Briten für den Ausstieg aus der EU entscheiden würden, dürfte es zu einer Flucht der ortsansässigen Banken kommen. Bereits wenige Monate nach dem Brexit zeichnet sich ab, dass genau dies eintritt. Schon jetzt verlagern einige englische Kredithäuser ihren Firmensitz in andere Länder. In Deutschland ist die Mainmetropole Frankfurt ein beliebter Standort. Doch was hat es mit dieser Flucht aus Großbritannien auf sich? Und warum ist es ausgerechnet die Stadt am Main, die für Vertreter aus der Bankenwelt zum attraktiven Anziehungspunkt wird?
Der Brexit verändert Geschäftsbedingungen
Schon in der ersten Grundsatzrede zum Brexit wurde deutlich, welche Auswirkungen sich zukünftig für britische Firmen ergeben könnten. Als die britische Premierministerin seinerzeit ankündigte, dass Großbritannien aus dem europäischen Binnenmarkt aussteigt, musste eine Ersatzregelung gefunden werden. Sie bestand in einem Freihandelsvertrag zwischen Großbritannien und der EU. Der Ausstieg aus der Zollunion steht damit ebenfalls im Raum. Finanzgeschäfte mit Beteiligung von britischen Banken dürfen in Zukunft nicht mehr in Euro abgewickelt werden. Diese neuen Geschäftsbedingungen waren es, die erste britische Banken zum Handeln zwangen. Schon Anfang 2017 haben die Schweizer UBS Bank und die britische HSBC deutlich gemacht, dass sie London als Standort in Zukunft nicht mehr in Betracht ziehen können. Ganz ähnlich verhält es sich mit der US-amerikanischen Investmentbank Goldman Sachs. Und auch die britische Großbank Lloyds scheint mitzuziehen und sich nach einem anderen Standort umzusehen. Interessant ist dabei, dass nahezu alle Kandidaten einen ganz bestimmten neuen Ort für ihre Finanzgeschäfte ins Auge fassen. Heißer Favorit ist die Mainmetropole Frankfurt.
Der Finanzplatz Deutschland wird gestärkt
Bei der UBS-Bank sind es rund 1.000 Jobs, auch bei Goldman Sachs spricht man von einer ähnlichen Größenordnung. Insgesamt sollen nach Expertenschätzungen über 20.000 Arbeitsplätze in Großbritannien betroffen sein. Die deutsche Finanzaufsichtsbehörde (BaFin) hat bereits die Bedingungen für einen Umzug der Banken nach Frankfurt veröffentlicht. Wer als Anbieter auf dem Bankenmarkt in Deutschland aktiv werden will, benötigt eine entsprechende Lizenz. Schon zum Jahresbeginn 2017 hatte die Zahl der Interessenten das Dutzend überschritten. Allerdings reicht es nicht aus, nur ein paar Mitarbeiter aus dem Vertrieb in Frankfurt anzusiedeln, wie die BaFin immer wieder betonte. Vor Ort müssten auch Entscheidungsträger ansässig sein, die beispielsweise durch das Risikomanagement unterstützt werden. Und auch eine Ausstattung mit finanziellen Mitteln sei zwingend erforderlich, um den Geschäftsbetrieb in Deutschland zu erhalten. Der Bundesverband deutscher Banken (BdB) geht allerdings davon aus, dass sich der Standort Frankfurt attraktiv genug für viele britische Banken präsentiert. Von politischer Seite sei der klare Wille erforderlich, den wichtigsten Finanzplatz Deutschlands zu stärken. Beispielsweise könnte der Kündigungsschutz für die Topverdiener gelockert werden, um es für die Banken einfacher zu machen, gut bezahlte Investmentbanker zu kündigen. Viele Banken scheuen die Regularien des deutschen Kündigungsschutzgesetzes und wollen in solchen Fällen keine hohen Abfindungen zahlen.
Frankfurt ist international vernetzt
Ungeachtet aller Herausforderungen ist die Bankenmetropole am Main grundsätzlich interessant für die gesamte Finanzbranche. Hier haben viele deutsche Großbanken ihren Stammsitz, und auch die Versicherungsbranche ist stark vor Ort vertreten. Die größte deutsche Börse hat ihren Sitz in Frankfurt, sie ist international mit allen wichtigen Finanzplätzen verbunden. Hinzu kommt die hervorragende infrastrukturelle Anbindung, denn Frankfurt ist im internationalen Luft- und Bahnverkehr bestens an die ganze Welt angebunden. Die Voraussetzungen für eine Zukunft von britschen Banken in Deutschland sind somit geschaffen.
Quellen
- http://www.wallstreet-online.de/nachricht/9245357-harter-brexit-banken-schmieden-fluchtplaene
- https://www.welt.de/finanzen/article161674226/Es-reicht-nicht-aus-einen-Briefkasten-anzuschrauben.html
- http://www.faz.net/aktuell/finanzen/fonds-mehr/banken-erwaegen-nach-brexit-umzug-nach-frankfurt-14621956.html